Multilinguismus

Code-Switching bei bilingual aufwachsenden Kindern

(Projektnummer: 107909018)

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Code-Switching bei bilingual aufwachsenden Kindern

Le code-switching chez les enfants ayant grandi dans un environnement bilingue
Das Code-Switching bezeichnet den in mehrsprachigen Gesellschaften häufig beobachteten Sprachenwechsel, z. B. zwischen dem Englischen und dem Spanischen in ,,They used to serve bebidas alcoholicas en ese restaurante" „Für gewöhnlich servierten sie alkoholische Getränke in diesem Restaurant“
Immer wieder wird vermutet, dass Sprachmischungen von mehrsprachigen Kindern auf einen Kompetenzmangel zurückzuführen sind. Doch ist dies wirklich der Fall? 
In unserem Forschungsprojekt gehen wir dieser Frage nach und analysieren hierfür Sprachaufnahmen von mehreren bilingualen Kindern mit den folgenden Sprachkombinationen: Deutsch-Französisch, Deutsch-Italienisch, Deutsch-Spanisch, Italienisch-Französisch, Italienisch-Spanisch, Französisch-Spanisch. 

Zusammenfassung des Projekts

Auf dem Foto sehen Sie die Arbeitsgruppe des Code-Switching Projekts, welche gemeinsam auch eine Monographie dazu veröffentlicht hat! 

              Das Projekt hat im Zeitraum von 2009 bis 2013, 47 Longitudinalstudien und Querschnittstudien von 98 Kindern im Rahmen einer Testung in Deutschland und den romanischen Ländern Frankreich, Italien und Spanien hinsichtlich des sanften Sprachenwechsels – dem Code-Switching – ausgewertet. Hierbei lag der Schwerpunkt auf dem innerhalb von Sätzen auftretenden Code-Switching im Alter von unter 5 Jahren. Dieses intra-sententiale Code-Switching wird von den bilingualen Kindern selten angewandt, wenn die interagierenden Erwachsenen ausschließlich eine Sprache – ihre Muttersprache – mit dem Kind verwenden. Werden die bilingualen Kinder vom Erwachsenen in beiden Sprachen angesprochen, so erhöht sich die Mischrate bei den Kin­dern. In einsprachigen Gesprächssituationen liegt der Anteil an Sprachmischungen oftmals weit unter 5%.

             Dieses Ergebnis zeigt, dass der Sprachenwechsel nicht aufgrund eines Kompetenzmangels entsteht, sondern es spiegelt im Gegenteil die Anpassungsfähigkeit der Kinder im frühsten Alter an die Gesprächs­situation wider. Erfolgt auf den kindlichen Sprachenwechsel eine einsprachige oder mehrsprachige Reak­tion – auch monolinguale oder bilinguale Gesprächsstrategie genannt – von Seiten des interagierenden Erwachsenen, so beeinflusst diese das kindliche Mischverhalten nicht. Mit anderen Worten: Reagiert der Erwachsene auf den kindlichen Sprachenwechsel einsprachig, indem er/sie so tut, als hätte er/sie den anderssprachigen Beitrag des Kindes nicht verstanden und fragt nach, dann verhindert dieses Verhalten nicht etwa weitere Sprachenwechsel von Seiten des Kindes. Dieses Ergebnis zeigt im Zusammenhang mit der zuvor konstatierten Anpassungsfähigkeit der Kinder an die Gesprächssituation, dass der Einfluss der interagierenden Erwachsenen in Form von Gesprächsstrategien (als Reaktion auf das kindliche Mi­schen) auf den kindlichen Sprachenwechsel gering ist.

             In der Literatur wurde häufig behauptet, dass der Anteil an kindlichen Sprachmischungen durch eine unbalancierte Sprachentwicklung beeinflusst wird: Bilinguale Kinder mischen mehr in ihrer weniger weit entwickelten, schwachen Sprache. Das Projekt konnte diese Sichtweise relativieren. Zwischen der Sprachbalanciertheit und den Sprachmischungen besteht nur dann ein Zusammenhang, wenn funktiona­le Elemente (z. B. Artikel, Hilfsverben, Konjunktionen) von den Mischungen betroffen sind. Für das Mi­schen von lexikalischen Kategorien ist die Balanciertheit der Sprachentwicklung unerheblich. Bei den funktionalen Kategorien ist der Zusammen­hang dergestalt, dass eine höhere Anzahl an Mischungen funktionaler Kategorien auch die Wahrschein­lichkeit erhöht, dass die Sprachentwicklung unbalanciert ist bzw. dass sich die Sprache, in die gemischt wird, weniger schnell entwickelt als die andere Sprache, aus der das Sprachmaterial stammt. Es gilt je­doch nicht umgekehrt, dass unbalanciert bilinguale Kinder (in ihrer schwachen Sprache) mehr mischen als balanciert bilinguale. Von mit Sprache befassten Personen­kreisen wie Erzieherinnen könnte dieses Ergebnis derart genutzt, dass die Beobachtung von erhöhten Mischraten bei funktionalen Kategorien den Schluss auf eine unbalancierte Sprachentwicklung wahr­scheinlich macht und Förderbedarf in der schwa­chen Sprache angezeigt ist.

              Die Querschnittstudie erlaubte eine systematische Variation der bilingualen Sprecherziehungsme­thoden. Neben der nach Personen getrennten Methode eine Person – eine Sprache, bei der jede Person seine Muttersprache mit dem Kind spricht, kam auch die Methode vor, dass die Sprachen nach der Um­gebung getrennt wurden. In der Familie wurde eine der beiden Sprachen verwendet – die Nicht-Umgebungssprache –, außerhalb der Familie die andere, die Umgebungssprache. Das Ergebnis der Forschungsarbeit war, dass die Sprecherziehungsmethode das Mischverhalten der Kinder nicht beein­flusst. Dieses Ergebnis kann Eltern Mut machen, die die Umgebungssprache nicht muttersprachlich be­herrschen; sie können also guten Gewissens mit ihren Kindern innerhalb der Familie ihre Muttersprache sprechen und durch eine gute Integration in die aufnehmende Gesellschaft erreichen, dass ihre Kinder außerhalb der Familie die Umgebungssprache gebrauchen.

              Das Forschungsprojekt ist weiterhin der Frage nachgegangen, ob der kindliche Sprachenwechsel bestimmte Funktionen ausdrückt, die monolinguale Kinder über andere sprachliche Mittel wie beispiels­weise die Prosodie (z. B. Wortakzent, Pausen beim Sprechen) vornehmen. Diese Frage konnte bejaht werden. Dieses Ergebnis lässt den Schluss zu, dass bilinguale Kinder den Sprachenwechsel zum Aus­druck bestimmter Funktionen einsetzen. Inwie­weit die funktionale Nutzung des Sprachwechsels systema­tisch ist, wie häufig dieser im Vergleich zu anderen solchen Mitteln vorkommt und welche alternativen Möglichkeiten durch monolinguale Kinder genutzt werden, muss in zukünftigen Forschungsarbeiten ge­klärt werden. Der funktionale Nutzen des Sprachenwechsels unterstreicht noch einmal, dass der Wechsel systematisch erfolgt und nicht etwa des­halb auftritt, weil das bilinguale Kind Kompetenzlücken in der Grammatik oder im Lexikon ausgleichen muss. Die in Laienkreisen oftmals vorherrschende Ansicht, dass bilinguale Kinder, die die Sprachen mi­schen, diese nicht (gut) beherrschen, ist also falsch und sollte durch eine Sichtweise ersetzt werden, die das Kind als eine mehrsprachige Person darstellt, welche aktiv beide Sprachen einsetzt, um bestimmte Funktionen auszudrücken.

                Das Projekt hat sich neben den das Code-Switching bedingenden Faktoren und den ausgedrückten Funktionen auch mit der syntaktischen Struktur der gemischtsprachlichen Äußerungen befasst. Hier ist das Ergebnis, dass die Sprache einer einzigen funktionalen Kategorie (C, der Ort für Konjunktionen) die Abfolge der Konstituenten in den gemischtsprachlichen Äußerungen bedingt. Interessanterweise enthält diese Kategorie Merkmale, welche die Sprecherabsicht kodieren (Illokution). Die rein syntaktische Be­trachtung der gemischtsprachli­chen Äußerungen könnte in zukünftigen Forschungsprojekten im Rahmen von Sprachproduktionsmodel­len mit der funktionalen zusammengeführt werden. Es ließe sich aufgrund der Befunde die Hypothese formulieren, dass beim Konzeptualisierungsprozess globale Sprecherabsich­ten in Illokutionen umgesetzt werden und der bilinguale Sprecher an diesem Punkt eine Sprache aus­wählt, welche die Struktur der gesamten Äußerung bestimmt und ob diese Sprachenwechsel zum sprach­lichen Ausdruck der Absichten enthält.

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